Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#1 von Esko , 04.06.2018 15:49


~☾~
~ Hexen im Nebel ~
~ schweigen. ~

~☾~


🌒 Nebelhexe Nye



Gluthexe Leah 🌘




~🌒~
Alter: 26
Domäne: Dunkler Mond
Aura: Grau, Schwarz
:
:
:
~🌒~


~🌘~
Alter: 26
Domäne: Wildnis
Aura: Glimmende Kohle
:
:
:
~🌘~

Schwach. Ersetzbar. Nichts besonderes. Das ist Nye. Ein junger Mann, der nicht genug ist und auch nie genug sein wird. Das wurde ihm immer wieder eingeredet. So oft, dass er irgendwann anfing sich selbst nicht genug zu sein und jemand anderes sein zu wollen. Er fühlte sich unvollständig, unpassend. Nichts was er tat war je genug. Nichts was er tat war je zufriedenstellend. Erwartungen über Erwartungen, die stets unerfüllt blieben. So viele, dass er sich selbst darin verlor.

Was muss eine Frau sein, um eine wirkliche Frau zu sein? Was muss eine Hexe sein, damit sie anerkannt wird? Erwartungen über Erwartungen. Vorgaben und Richtlinien. In dieser Welt findet Leah keinen Platz. Die junge Frau verlor sich selbst im Strudel der gesellschaftlichen Erwartungen und kämpft noch immer um ihren Platz als die Frau, die Hexe, das Wesen was sie ist. Egal in welche Richtung sie blickt - sie müsste etwas an sich ändern, um zu passen. Was sie ist? Wird nicht akzeptiert. Und irgendwo auf diesem Weg... hat sie angefangen sich selbst nicht zu lieben.

~☾~



~☾~


 
Esko
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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#2 von Darika , 04.06.2018 18:11

Allumfassend. Tiefer Nebel liegt über der Ebene. In dicken, weichen Waben kriecht er sanft über den Boden, bedeckt das natürliche und verbirgt die harsche Realität vor fremden Augen.
Nebel - undurchsichtig und schwer, fast schon tropfend feucht hängt er in der Luft und macht verhindert jeglichen Durchblick. Jegliches Erkennen.
Wo genau sie hier sind? Niemand weiß es. Und jeder der hier landet, will es auch nicht wissen.
Denn an diesem Ort zählt nur der Nebel, nichts anderes. Er bietet Schutz, Versteck, Heilung und Abschottung. Ist es das, was sie her geführt hat? Unwichtig. Nun ist sie hier.
Ein müdes Lächeln liegt auf den blassen Lippen - absolut unüberzeugend. Aber das muss es hier auch nicht sein. Ihre Schultern neigen sich leicht nach vorne, sie geht gebückt. Der Weg hier her war schwer, auch wenn sie nicht mehr so recht weiß, warum eigentlich. Und was macht sie hier? Auch das weiß sie nicht so genau. Es ist nur wichtig, dass sie jetzt hier ist.
Mit jedem Schritt den die Frau namens Leah in den Nebel macht, bricht ein weiteres Stück ihrer Maske. Das Lächeln verwischt, die Augen werden müde und trüb. Sie ist erschöpft. So erschöpft. Mit einem tiefen Atemzug bleibt sie stehen. Ihre Lungen füllen sich mit feuchter Luft und sie spürt wie gut es tut, diese kühle frische. Das falsche Lächeln hat ihr inneres verbrannt. Nur verkohlte Erde bleibt zurück. Die Nässe legt sich wie Balsam auf diese inneren Wunden. Und sie genießt.
Während sie dort steht, die Augen geschlossen, nur der Stille lauschend - manifestiert sich ein Geländer vor ihr. Einem Hafen ähnlich zieht sich dieses Geländer von einem Ende des Horizonts bis zum anderen. Dahinter? Ein dunkles, endloses Meer von Schwärze. Nichts anderes.


~☾~

Allumfassend. Dunkle Gedanken trübten sein Bewusstsein und die Sicht war schwer. Sein Blick war gen Küste gerichtet, doch konnte er durch den dichten Nebel nicht mehr als schemenhafte Umrisse erkennen. Dies war sein Heimathafen und dennoch fühlte es sich so fremd an. Zuhause warteten Menschen auf ihn, denen er viel bedeutet(?). Sicher würden sie ihn vermissen, denn schon vor Stunden hätte er zurückkehren sollen. Irgendwas hielt ihn auf See. Dieses Gefühl von Entfremdung... Von Wertlosigkeit. Was konnte er ihnen schon bieten? Was könnte er ihnen schon geben, was andere nicht besser konnten? Er war sich selbst nicht genug. Und ohne ihn waren sie besser dran. Hier im dichten Nebel war sein Zuhause. Hier im dichten Nebel konnte ihn keiner sehen. Hier war er niemand. Und das ist auch gut so. Hier musste er nicht jemand sein.

Leise knarrend trieb das Boot über das stille Wasser. Heute war ein ungewöhnlich dunkler Sommertag. Selbst die Fischer stachen nicht in See. Es hieß Nebel wäre ein schlechtes Omen. Für ihn war der geheimnisvolle Dunst schon immer vertraut. Andere verirrten sich darin. Doch wie konnte er sich verirren wenn er gar kein Ziel hatte? Sein Blick wanderte durch das Graue nichts. Niemand da. Niemand für den er lächeln musste. Niemand für den er stark sein musste. Doch. Jemand war da. Ein Schemen im Nebel. Ein Schemen am Ufer. Doch irgendwie... Nein, das ist nicht jemand. Ist das auch niemand?


~☾~

Noch ein tiefer Atemzug, diesmal schwerer als der vorherige. So müde. So leer. So schwer. Mit einem Seufzen öffnet das Mädchen die Augen. Keine Verwunderung als sie das Ufer erblickt. Irgendwie hatte sie ja schon geahnt hier zu enden. An diesem Ort des Nichts. An dem alles nichts sein mag, und niemand wirklich hinfindet und doch hinkommt. Dem Nebel. Diesem ... ganz besonderen Nebel.
Sie blinzelt langsam, tritt an die Rehling, blickt in das Wasser hinunter. Schwarze Wellen. Dunkle Schatten. Einfach Dunkelheit. Sie sagt nichts. Worte sind hier nicht nötig. In ihrer Brust glüht es dennoch. Schmerz, Ablehnung, Unzufriedenheit und Unwissenheit. So viel Angst vor dem was kommen wird und was getan werden könnte. Ein heftiger Schauer erfasst sie, ein Zittern - welches ihren gesamten Körper für einen Moment schüttelt. Schon spürt sie die vertraute Nässe in ihren Augenwinkeln. Doch der Moment ist noch nicht gekommen.
Sie lässt ihren leeren Blick über das Wasser gleiten, langsam und achtsam. Sie ist einfach, in diesem Moment. Während ein Krieg in ihrem inneren tobt, sich langsam hochschaukelt, blickt sie nur langsam hinaus. In das Nichts. Erst als das nasse Geräusch von Wellen an ihre Ohren dringt kehrt ihr Fokus zurück zu diesem Ort. Nanu? Was könnte das sein? Sollte sie nicht allein sein, in diesem Nichts? Niemand konnte hier her. Niemand, wie sie.
Verwundert macht sie ein kleines, dunkles Boot aus, in dem eine Gestalt sitzt. Ebenso Dunkel wie die Umgebung, von einer schweren Aura umhüllt die traurig und so verletzt wirkt, dass ihr wieder die Tränen in die Augen steigen. Im ersten Moment überlegt sie zu winken, oder zu Lächeln. Oder etwas zu sagen.
Doch hier ist es nicht notwendig. Unnötig. Es gab einen Grund, dass sie beide hier waren. In diesem Nichts. Im Nebel. Also, lässt sie es. Kein Lächeln. Nur Leere in ihren Augen. Und damit… Verständnis. Mit zittrigen Fingern streicht sie sich das Haar hinter die Ohren und seufzt, lautlos. Dieser kurze Moment der Ablenkung hat gereicht, dass sich neben ihr eine schmale Treppe manifestiert hat. Spindeldürr und nass, aber für ihre Zwecke ausreichend. Ihr Entschluss steht fest. Dennoch sind ihre Schritte zaghaft als sie sich auf den Weg runter zum Wasser, zu der Person macht.


~☾~

Irgendetwas regte sich in ihm. Diese Person... konnte man nicht einmal seine Ruhe haben? Er spürte die Last der Erwartungen auf ihm. Was mochte sie von ihm denken? "So ein komischer Typ... Bei dem Nebel mit dem Boot rauszufahren. tzz..." oder "Sollte der nicht arbeiten? Was schlendert der da auf dem Wasser rum?". Mit jeder Sekunde die verstrich und mit der die Person ihn ansah wurde er nervöser. Sah sie ihn überhaupt an? Konnte sie ihn durch den Nebel überhaupt sehen? "Der sitzt ja einfach nur im Boot rum. Verrückter..." Er konnte ihre Gedanken spüren. Nein, er bildete es sich nicht nur ein. Sie sah ihn an und sie urteilte über ihn. "Ist der alt geworden... hach ich würde viel lieber einen Jüngling im Wasser beobachten." oder "Sieh dir nur die pechschwarzen Haare an. Er ist bestimmt von niederen Blut." oder "So eine dunkle Hautfarbe. Arbeitet der auf dem Feld? Ein Bauer, nichts weiter."

Nach einer Weile spürte er wie seine Gedanken unter der Last der Kommentare zusammenbrachen. Diese Frau... sie musste weg. Er hielt ihren Anblick nicht aus. Rasch holte er die Paddel aus und ruderte gen Ufer. Direkt auf sie zu. Sein Herz machte einen Sprung. Sein inneres Feuer loderte. Immer näher und näher. Es war wirklich eine Frau, das konnte er an ihren Schemen erkennen. Er kam immer näher und näher. "Hey." Rief er durch den Nebel. Er nahm einen tiefen Atemzug und rief "Was machst du da? Kann man denn nicht einmal alleine sein?". Oder zumindest wollte er das rufen, denn als er zum Rufen ansetzen wollte sah er in ihr Gesicht. Und sie hatte den gleichen Gesichtsausdruck wie er. Schmerz, Ablehnung, Unzufriedenheit und Ungewissheit. Und er schwieg.


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Darika
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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#3 von Darika , 04.06.2018 20:02

Jede Stufe kam einer Prüfung gleich. Jeder Schritt war wie Eisen in ihrem Magen. Ein schweres Band hatte sich um ihr Herz gelegt und wurde mit jedem Atemzug enger. Was machte sie da eigentlich? Warum ging sie zu diesem Menschen hinunter? Der wollte sicher nicht, dass sich jemand wie sie zu ihm gesellte. Was hatte sie schon zu bieten? Einem Fremden konnte sie nicht helfen, konnte nichts für ihn tun, also hatte sie auch kein Recht zu ihm zu gehen und die Nähe zu haben, welche sie sich insgeheim wünschte. Einfach ein freundliches Wort, eine nette Geste. Das war ihre Methode. Immer Lächeln, immer höflich und liebevoll sein, bis sich hoffentlich jemand erbarmte ihr diese Freundlichkeit zurück zu schenken. Und sei es nur aus Mitleid. Wenigstens etwas. Wenigstens nicht allein.
Aber hier konnte sich nicht Lächeln, keine Hilfe anbieten. Hier war sie einfach nur da und ging, langsam, die Stufen hinab. Hier gab es keine Masken. Mit leeren Augen sah sie, wie der Mann auf sie zuruderte. Wie er ans Ufer kam - bis seine Stimme durch den Nebel schallte und wie ein Pfeil ihr Herz traf. Die Wucht mit der diese Worte sie traffen, brachte sie zum stehen. Es hatte sich also bestätigt. Auch hier hatte sie keinen Platz. Sie durfte nicht. Sollte nicht. War nicht gewollt. Natürlich nicht. Was konnte sie schon machen? Schon anbieten? Eine Frau wie sie? Weder hübsch, noch besonders. Weder gelehrt noch fähig. Einfach nichts. Absolut unwert, geachtet zu werden, ganz zu schweigen von gemocht oder geliebt.

Während diese Gedanken sich wie ein Lauffeuer durch ihr Innerstes fraßen, war ihr Blick gen Boden gewandt, sie sah den Schmerz in den Augen des Mannes nicht und konnte nicht erkennen, wie sehr sie doch unter der Präsenz des anderen litten. Erst als seine Stimme verstummte blicke sie wieder auf - mit einer Entschuldigung auf den Lippen, eine beschwichtigende Geste bereit.
Die Worte blieben in ihrem Hals stecken. Ihr Atem stockte. In den dunklen Augen des Jungen sah sie ihren Schmerz reflektiert, wie in einem Spiegel.
Drei Herzschläge lang blieb sie einfach stehen, konnte nicht glauben was sie sah, was hier geschah. Schmerz. Schmerz. Unendlicher Schmerz in tiefster, innerer Verletzung.
Der Moment verstrich und sie machte einen weiteren, zaghaften Schritt auf ihn zu. Der Wunsch ihn zu halten, und sei es auch nur für einen Moment, war unbändig.


 
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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#4 von Esko , 04.06.2018 20:07

~☾~
Für einen Moment sahen sie sich einfach nur an. Diese Frau... Sie war... er?
Er erkannte sich in ihre wieder. Sie hatte das gleiche Gesicht. Den gleichen Schmerz. Auch sie hatten ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden.
Auch sie war nicht genug. Auch sie wurde ersetzt von Leuten, die das waren, was sie nicht sein konnte.
Leere Augen sahen in leere Augen. Er dachte nach. Im Endeffekt gab es nichts mehr was ihn hielt.
Doch diese Frau war ein Ankerpunkt. Ein Fels im Wasser, der ihm irgendwie Halt gab.
Wer war sie? "Wer bist du?" fragte er. Er überlegte. Dann fragte er. "Wer willst du sein?"

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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#5 von Darika , 04.06.2018 20:14

Ihr Herz pochte hart in ihrer Brust. Unglaublich fest, sie hatte das Gefühl ihre Rippen würden jeden Moment bersten und ihre Gefühle vor sich ergießen. Ein Schauer aus Schmerz und Trauer und Angst und Verachtung und Verzweiflung.
Doch nichts geschah. Sie sah nur in seine Augen, atmete schwer. Er war wie sie. Gleich. Das selbe Leid. Der selbe Schmerz. Ein Atemzug.
Dann schloss sie ihre Augen, als seine Frage durch die Luft drang und sie zu ersticken drohte.
„Genug. Ich will genug sein.“
Und irgendwo wusste sie, dass es nicht stimmte. Sie wollte mehr als nur genug sein. Sie wollte geliebt und gebraucht werden. Aber nicht wegen ihrer Maske, ihrer Leistung oder all den Dingen, die sie aufsetzte um dies zu bekommen.
Sie wollte geliebt und angenommen werden - um ihrer Selbst Willen. Ehrlich und wahr.
Noch ein Herzschlag vergang - sie machte wieder einen Schritt auf ihn zu. „Wer willst du sein?“


 
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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#6 von Esko , 04.06.2018 20:22

~☾~
Genug sein. Ja, das wollte er auch. Einfach nur genug sein. Sie trug eine Maske, das spürte er.
Die trug er früher auch. Die hatte er längst abgelegt. Er liebte es zu lächeln. Er liebte es zu lachen.
Doch sein Lachen war krumm und schief. Unschön. Nicht so schön wie andere.
Er hat längst aufgehört eine Maske zu tragen und war dennoch nicht genug.
Er wird niemals genug sein. Er konnte seine dunklen Haare und seine dunkle Haut nicht ablegen.
Er konnte sein schiefes Lächeln nicht ablegen. Er konnte nicht so sein wie die, die andere begehrten.
Nicht so sein wie die, die er im Grunde selbst begehrte. Als sie ihn fragte, was er sein wollte, brauchte er nicht lange zu überlegen.

"Niemand." sagte er. "Ich möchte einfach niemand sein..."

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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#7 von Darika , 04.06.2018 20:30


„Aber du bist jemand.“ Auch wenn es nicht die Antwort war, die er wahrscheinlich hören wollte - sie sagte es. Hier musste sie einfach. Keine Maske. Sonst wären wohl Worte der Zärtlichkeit geflossen, um ihm den Schmerz zu nehmen. Hier nicht. Nur Ehrlichkeit, im Nebel. Kein Maske.
Und je länger sie ihn ansah desto besser verstand sie. Er verstellte sich nicht, sondern war einfach. Und wurde trotzdem nicht angenommen. War nicht genug.
Diese Erkenntnis fuhr in sie ein, wie ein Blitz. Ein kurzes, hilfloses, fast verzweifeltes Lachen entsprang ihr. Es war aussichtslos. Sie würde nie genug sein.
Aber als sie wieder in seine Augen sah, kam ihr der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht notwendig war. Vielleicht… vielleicht war es okay.
„Du bist. Mehr nicht.“ Sie wagte noch einen Schritt, hob die Hand und berührte seine Wange, nur ein Hauch - dann trat sie wieder zurück, wandte den Blick ab und sah zum Wasser. Das Herz schlug ihr schwer in der Brust und schien zu bluten. Pumpte in die Leere, ergoss den Schmerz sanft in ihr innerstes, unaufhörlich.


 
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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#8 von Esko , 04.06.2018 20:45

~☾~
Ich bin... Mehr nicht. Für sie reichte es. Für sie brauchte es nicht mehr. Und für ihn reichte sie auch.
Sie war der Ankerpunkt. Doch die Strömung um sie herum floss weiter, riss an ihnen, zerrte an ihnen.
Für sich selbst werden sie nie genug sein. Doch für sich gegenseitig. Er hasste sich. Doch sie hasste ihn nicht.
Sie hasste sich. Doch er hasste sie nicht. Ein wispern ging über seine Lippen.

Die Sonne am Himmel schien trüb durch den Nebel wie ein Mond. Hier und jetzt waren sie. Mehr nicht.
"Hey..." sprach er. "Ich bin schon seit einigen Stunden hier..." seine Stimme verkrampfte. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals.
Doch sein Gesicht blieb wie erstarrt - nicht als Maske. "Aber alleine traue ich mich nicht." Er sah ihr direkt in die Augen.
Rasch schluckte er den Kloß runter, streckte ihr die Hand entgegen und sprach: "Lass uns ertrinken. Gemeinsam."

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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#9 von Darika , 04.06.2018 21:04


Langsam fühlte sie sich … schwindelig. Als würde sie wahrhaftig Blut verlieren, und nicht nur den Herzschmerz in ihrem Inneren spüren. Für einen Moment huschte ein bitteres Lächeln über ihre Lippen. Das wäre doch ein Gedanke…
Sie wandte sich ihm zu, war einfach nur in diesem Moment. In dieser Erkenntnis, wie ausweglos es war. Aber wie sicher sie sein konnte, in diesem Moment sich wahrhaftig zu spüren. Ihn neben sich zu spüren. Den einen Menschen auf der Welt, der ihren Schmerz und all diese Verzweiflung teilte. Für die meisten Gefühle hatte sich nicht mal einen Namen. Und doch war er hier, verstand sie - bedingungslos. Er war ein Spiegel. Die Lösung für ein Rätsel, welches sie nicht kannte. Die Erfüllung ihres stummen Sehnens.
Und er half ihr erneut, als sie zu versinken drohte - in ihren eigenen Gedanken.
Auch wenn er es nie spüren würde - in diesem Moment schlug ihr Herz nur für ihn. Voller Liebe und Akzeptanz, welche keinen Platz in der Welt hatten. Seine Frage kam unbeholfen - nervös und so gehemmt, von den fremden Ängsten.
Dann - Stille. Auch ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen. Kein Atem floss durch ihre Lungen.
Sie drehte sich ihm zu, ganz langsam. Sah zu seiner ausgestreckten Hand. Und in diesem Moment ergab alles einen Sinn. Sie blickte hoch, direkt in seine Augen, ebenso leer wie die ihren. Und sie lächelte. Müde, verletzt, voller Schmerz, verzweifelt und so echt. Ein Lächeln - so traurig wie der Tod selbst. Und sie nahm seine Hand, ganz sanft und ehrfürchtig. „Ja.“
Und sie hielt ihn fest, spürte seine Wärme in dem Moment, seine bedingungslose Nähe. Sie hatten die absolute Erfüllung erreicht, ihr Schmerz ergoss sich endlich, haltlose Tränen, die ungehindert über ihre Wangen floßen. „Ja. Bitte lass uns ertrinken. Endlich.“ Und sie wartete nicht länger - traute sich etwas zu tun, dass sie sich wünschte. Ein Schritt, dann noch einer - gen Wasser.


 
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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#10 von Esko , 04.06.2018 21:14

~☾~
Für einen Moment zögerte er. Die Hand zitterte merklich. Sie überlegte. Stille.
Was fragte er sie da? Das hat er doch nicht wirklich gerade getan, oder? Was ging in ihm vor?
Nein warte... Sie ging einen Schritt auf ihn zu. "Ja." sagte sie. "Ja?" Er stammelte kurz. "Ja." hat sie gesagt.

Sein Gesicht wurde wieder ehrfürchtig. Jeglicher Zweifel war verschwunden.
"Gut." sagte er und nahm ihre Hand. Vorsichtig geleitete er sie ins Boot.
Sie ruderten raus auf unbekannte Gewässer - schweigend.
Tief in den Nebel hinein, wo sie keiner mehr sehen konnte bis sie komplett umschlossen waren.
Er wusste selbst nicht mehr in welcher Richtung die Küste lag. Nach einer Weile legte er die Paddel zur Seite.
Dann nahm er einen Hammer den er sich im Boot bereitgelegt hatte, vergewisserte sich nochmal, dass sie es wirklich wollte.
Ihr Blick war ohne Zweifel. Seiner war es auch.

Dann schlug er ein Leck ins Boot und setzte sich ihr ruhig gegenüber und sie blickten sich schweigend in die Augen während das Boot sich mit kaltem, trüben Wasser füllte.

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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#11 von Darika , 04.06.2018 21:28


Jeder Schritt den sie weiter gen Wasser und dem Boot machten, befreite sie. Jeder Schritt ließ sich leichter werden, erleichtert aufatmen. Leichter werden - freier. Sie hatte diese Entscheidung getroffen. Sie wollte es. Und es war fantastisch. Ohne jegliche Maske, ohne jeglichen Zwang. Absolute Freiheit.
Und sie war ihm so dankbar dafür, so unendlich dankbar. Ohne ihn, wäre der Schmerz nicht mehr erträglich gewesen. Sie hatte schon nicht mehr weiter gewusst. Da kam er. Und gab ihr die Wahl - gab ihr ihre Kraft zurück, die wie Glut in ihrem inneren brannte.
Und in dem Moment, als sie im Boot saßen und der Nebel sich immer dichter um sie hüllte - erkannte sie sich selbst.
Sie verstand.
Und die Endlichkeit holte sie ein. Es war perfekt.
Ein kaum merkliches Nicken als er den Hammer hob und noch einmal zu ihr Blickte. So sollte es sein. Dann schlug er das Leck und sie seufzte lautlos auf. Es wurde wahr. Endlich, endlich wahr.
Das Wasser umspielte ihre Füße, ließ einen kalten Schauer durch sie fahren. Die Stille erstreckte sich um, das Wasser begann ihre Waden zu umschmeicheln, gnadenlos.
Der Nebel legte sich wie eine Krone um ihre Häupter und küsste sanft ihre Wangen. Ein Abschied, in Liebe.
Salzige Tränen zogen sich wie Linien aus Diamanten über ihr Gesicht. Sie beide waren so schön, so perfekt in ihrem Ende.
Das Boot hatte sich inzwischen gefüllt, konnte ihr Gewicht nicht mehr über Wasser halten. Sie streckte ihren Hand nach ihm aus, als das Wasser sie beide empfing, hielt seinen leeren Blick, hielt ihn fest und ließ sich langsam treiben. Sie wehrte sich nicht gegen das dunkle Ziehen des Wassers - sie sanken, ihre Kleidung sog sich voll.

Dann war der Moment gekommen. Das Wasser schwappte über ihre Köpfe. Noch immer hielten sie den Blick an sich fest. Ihr Körper begann zu reagieren. Wehrte sich gegen den Druck auf der Brust und das verzweifelte Sehen nach der Oberfläche. Doch sie sah nur ihn an, hielt die Augen offen, trotz des stechenden Wassers. Ignorierte den Schrei ihrer Lungen nach Luft.
Während ihre Seele begann die Grenzen ihres Körpers zu verlassen, begann das Blut in ihren Adern langsamer zu fließen. Und dies teilte sie mit ihm.


 
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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#12 von Esko , 04.06.2018 21:39

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Langsam stieg das Wasser. Immer höher und höher. Die Kälte durchzog seinen Körper und er musste gegen die innere Panik ankämpfen.
Sein Körper kämpfte nach Luft, seine Seele kämpfte nach Wasser. Und so versanken sie im Wasser.
Er zappelte, greifte um sich, sah sich und ihren Körper im trüben Wasser treiben. Er wollte nach ihr greifen, doch die Strömung riss sie ausseinander.
Wasser füllte seine Lunge und brannte wie Glut. Es war die Hölle. Es war schmerzhaft und es gab nichts schlimmeres und dennoch mussten sie da durch.
Noch zwei Atemzüge, dann waren seine Lungen komplett gefüllt. Dann verschwamm die Sicht.
:::
::
:
.

Licht erfüllte ihn. Ein leises flüstern. Dann ein lautes Rauschen. Er öffnete die Augen, hustete die Fluten aus der Lunge und fand sich am Ufer wieder.
Seine Brust krampfte vor Schmerz. Mit verzogenem Gesicht fing er an zu weinen. Dann zu wimmern. Dann laut zu heulen und zu schreien.
Irgendwas in ihm ist in den Fluten gestorben. Irgendwas fühlte sich nun anders an. Er weinte. Er schrie. Er konnte weinen. Er konnte schreien
Und da lag sie. Vor ihm am Boden. Bewusstlos. Doch sie lebte noch, das wusste er. Zumindest der Teil von ihr, der nicht in den Fluten ertrunken ist.

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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#13 von Darika , 04.06.2018 21:59


Die Kälte des Wassers war zu einem Brennen geworden. Zu einem Inferno des Schmerzes und des Lebenskampfes. Sie verloren ihn. Absolute Vernichtung. Sie wollte nach ihm rufen, ihr Mund öffnete sich - Wasser ergoss sich gnadenlos in sie, füllte ihre Lungen und schien sie zerbersten zu wollen. Sie wand sich, versuchte nach Luft zu schnappen. Höllenqualen. Absolute Qual. Endloser Schmerz. Dies war das Ende und es war das schlimmste, was sie sich je hätte erträumen können. Ihr Kopf schien zu zerspringen, ihre Lungen standen in Flammen. Gnadenlose Qual - dann, nichts mehr.
.
.
.
.
Das erste was sie wahrnahm, war ihr eigener Herzschlag. Schwach und unregelmäßig. Ein klägliches, aber doch merkbares Pochen in ihren Ohren. Gefolgt von dem Gefühl, dass ihre Lungen sich langsam aber sicher mit Luft füllen wollten. Mussten.
Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können setzte sie sich abrupt auf. Ihr gesamter Körper protestiere, verkrampfte sich in Schmerz. Vor ihren Augen explodierte weißes Licht, alles war voller Schmerz und sie erbrach sich auf den Sand, Wasser aus ihrer Lunge und ihrem Magen - gefolgt von Keuchen und Husten. Kaum, dass sie wieder Luft holen konnte folgte ein Schluchzen. Dann ein Schrei. Alles war anders - nichts war mehr gleich. Sie war gestorben. Hatte ihr Ende in den Fluten gefunden. Und nun durfte all das fließen, was vorher keinen Platz in ihr hatte. Mit ihrem Tod hatte sie Platz für all die Dunkelheit geschaffen, welche sie vorher in sich abgelehnt hatte.
Endlich konnte sie sein, gesamt - erfüllt. Sie wie sie war.
Und ihre Schreie, ihre hilflosen Tränen welche sich in verzweifeltem Schluchzen ergossen zeigten sie.
Nachdem die erste Flut der Gefühle sich aus ihr ergossen hatte, wie das Wasser, welches sie zum ertrinken gebracht hatte- konnte sie sich umblicken und nach ihm suchen.
Er lag nicht weit von ihr, ebenso tränenüberströmt, weinend und schluchzend. Sie teilten diesen Schmerz. Sie teilten dieses Leid.
Obwohl noch immer alles in ihr brannte, sich verätzt anfühlte, hob sie den Kopf und hielt seinen Blick.
„Ich bin Leah. Schön, dich kennen zu lernen…"


 
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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#14 von Esko , 04.06.2018 22:06

~☾~
Wie? Leah... stimmt. Er hatte sie noch gar nicht nach ihren Namen gefragt.
Und dennoch war sie bereit mit ihm zu ertrinken. Er sah sie verwirrt an. "Ich bin..." Er hustete.
Noch ein Schwall Wasser entleerte sich auf dem Sand. "Entschuldige... Ich bin Nye."
Ein Schwindelanfall überkam ihn und er ließ sich in den Sand fallen um nicht ohnmächtig zu werden.
"Das war..." Er fand keine Worte. Nichts konnte beschreiben wie schlimm das war. Jedes Wort das er dafür fand würde das Geschehene nur abmildern.
"Und... jetzt?" fragte er in die Leere. Es gab kein zurück mehr. Er konnte niemanden davon erzählen. Niemand würde es verstehen.
Der Nebel war noch da. Er umschloss sie. Sanft. Liebkosend.
Sie waren wiedergeboren und der Nebel war ein Teil von ihnen geworden. Blass und trüb schien die Sonne wie der Mond auf sie herab.
"Ich danke dir..." Indem sie ihm nicht geholfen hat, hat sie ihm letzten Endes geholfen. Zusammen sterben. Und zusammen leben.

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RE: Dunkle Monde ~ Hexen im Nebel

#15 von Darika , 04.06.2018 22:15


„Schön dich kennen zu lernen, Nye.“ Ein wohlklingender Name. Sie liebte ihn jetzt schon. Schön, dass sein Gesicht nun auch etwas hatte, woran sie sich erinnern konnte. Auch wenn sie ihn wohl niemals vergessen würde, mit oder oder Name.
Ein Schauer der Sympathie ran über ihren Rücken, als er noch mal Wasser aushustete.

Sie spürte, wie auch ihr innerstes noch nicht erholt war, doch Husten blieb ihr momentan erspart. Jedes Worte fühlte sich an, als würde sie Sandpapier im Hals haben. Sie sah ihn als, er sich auf den Sand fallen ließ. Blieb so liegen, wie sie war, und sah ihn nur an.
„Jetzt leben wir.“
Noch konnte sie die Tragweite dieses Ereignisses nicht einschätzten. Sie war mit ihm gestorben. Ohne zu zögern, ohne zu hinterfragen - ohne eine Aussicht auf überleben.
Und doch waren sie beide nun hier. Vom Tod geküsst, in seinen Segen aufgenommen und bereit, den Weg des Nebels zu gehen.
„Jetzt leben wir.“ Sie wiederholte es, mit mehr Feuer in ihrer Stimme. Die Glut in ihrem inneren begann heller zu glühen, wollte entfacht werden.
Mit einer zaghaften Bewegung hob sie die Hand, streckte sich ihm entgegen. Nun würden sie leben.


 
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