Der Zug klackerte gemächlich über die Gleise, eine stetige Melodie aus Metal. Shiori hatte die Augen geschlossen und lauschte. Ihre Reise war erfüllt von Leben, keine Sekunde schien still zu halten, es war, als würde die Zeit es heute besonders eilig haben. Was ihr natürlich gerade Recht kam! Je schneller sie ihr Ziel erreichen würde, desto besser. Die Jahre hatten ihr dennoch so einiges mit auf den Weg gegeben, und so genoss sie den Moment ebenso wie die Freude auf das Ziel. Mit einem tiefen, zufriedenen Grummeln krammte sie ein wenig in ihrer Tasche (gänzlich aus der Mode gekommen, wenn man das junge Ding zwei Reihen vor ihr fragen würde) um ihren Fahrplan hervor zu holen. Nur noch 4 Stationen! Ihr Herz machte einen freudigen Satz in ihrer Brust, sie konnte sich das Lächeln nicht verkneifen. Wie lange war es her, dass sie so weit hinaus in die Wälder gereist war? Dass sie Asuka gesehen hatte? Viel zu lange! Viel, viel zu lange. Ach, was das Leben immer nur für Spiele spielte...
🌱Vorsichtig wurde das Papier wieder in ihre Tasche gepackt, ehe ihr Blick wieder aus dem Fenster wanderte. Morgentau glitzerte auf den Feldern, alles schien noch frisch und jung. Der Frühling hatte das Land gerade erst in seine Finger bekommen und machte sich mit einem Eifer der seinesgleichen suchte daran das Land in ein sprießendes Inferno zu verwandeln. Farben und Formen schienen an jeder Ecke zu explodieren, voller Leben und Tatendrang. Was für eine schöne Zeit, was für ein herrlicher Moment. Saori musste schmunzeln und an ihre gemeinsame Jugend mit Asuka denken. Waren sie wirklich jemals so jung und frei gewesen, wie diese Frühlungsblumen? Es kam ihr schon wie eine Ewigkeit vor…
🌱Ein metallisches Knarzen über die Lautsprecher kündigte eine Ansage des Fahrers an - und ehe Saori sich versah war ihre Haltestelle schon gekommen. Wie die Zeit nur immer so verflog… Mit einem leisen Ächzen packte sie ihre Tasche, und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Ein junger Bursche, nicht einmal halb so alt wie sie hüpfte auf, half ihr mit einem verlegenen Stottern, ihr Gepäck zur Tür zu bringen. Ah, die Jugend von heute… So freundlich. Was für eine Wohltat.
Mit einem Knirschen und Kreischen kam der Zug endlich in ihrer Präfektur zum stehen, und mit einem Satz hatte sie es endlich geschafft. Frische Waldluft erfüllte ihre Lungen, es schien als würde die Last der letzten Jahre mit jedem Atemzug leichter werden. Vollkommen gepackt von der lebendigen Stimmung streckte sie sich erstmal, die Hände hoch über den Kopf. War es nur Einbildung oder knackte ihr Gestell doch ein wenig ominös?
Mit einem Räuspern packte sie es dann endlich an. Es war ein Fußmarsch von knapp einer Stunde. Wenn sie sich sputete, vielleicht sogar weniger? Mit Gusto wurden die Stufen aus dem Bahnhof genommen, dem liebenswürdigen Okonomiyaki Verkäufer zugewunken, ehe sie sich gen Waldpfad aufmachte. Ah! Moment, ein Mitbringsel vielleicht? Rasch huschte sie noch in den kleinen Tante Emma Laden an der Ecke des 100 Seelen Dorfes. Nur noch alte Gesichte, wie das ihre. Manch einer bemängelte diesen Umstand, doch in Momenten wie diesen war sie froh über die Ruhe und Gelassenheit. Sie kaufte eine erlesene Auswahl an kleinen Onigiri in verschiedenen Geschmacksrichtungen, hoffentlich würden sie Asuka schmecken!
So, nun aber hurtig - auf den Weg. Koffer und Präsent lagen fest in ihrer Hand als sie weiterstapfte - die Geräusche des Dorfes langsam aber stetig hinter sich lassend. Genau wie die Last des Alltags.
🌱Jeder Schritt lies sie leichter werden. Der Wald hatte die Alte Frau schon längst umhüllt, in seinen weichen und lebendigen Schatten geborgen. Es war ruhig, nur das leise Raunen den Windes in den jungen Blättern, hier und da durchzogen von lieblichem Vogelgesang. Nun war es nicht mehr weit, dann hatte sie ihr Ziel erreicht… Ob Asuka sich schon freute?