Ein Herzschlag erfüllte den Raum in ihrer Brust als sie mit gesenktem Haupt dem Ende entgegenstand. Ihre Zeit war nun endlich gekommen. All das wofür sie ihr Leben lang gearbeitet hatte ging nun zu Ende. Sie hatte Schweiß und Tränen vergossen und nächtelang geweint. Schon als kleines Kind wurde sie von Crescendo auserwählt. Das Mädchen aus der Prohezeiung sagten sie. Das Mädchen, das das goldene Zeitalter der Magie einläuten würde. Eine Göttin. Doch das Opfer dafür war groß. Als junges Mädchen ihrer Familie entrissen musste sie die größten Lebensfreuden hinter sich lassen und ein Leben ewiger Entbehrlichkeit verbringen.
Crescendo war alt und ebenso alt war sie. Verdammt dazu nicht sterben zu können verbrachte sie Jahrhunderte, Jahrtausende verschlossen hinter den Mauern der Universität. Sie sah Magister kommen und gehen. Erlebte ihre gesamte Jugend bis ins hohe Alter und dann kam der nächste junge Magister, der die Prophezeiung studiert hat. Sie alle bildeten sie aus in den verschiedensten Bereichen der Magie bis sie alles wusste, was die Magister wussten. Da begann erst das richtige Studium in der sie die Geheimnisse lüftete wofür jedes Menschenleben zu kurz war. Sie sah Welten entstehen und gehen. Sah wie sich gesamte Zivilisationen innerhalb eines kleinen Augenblicks zwischen ihren Fingern aus dem Staub erhoben und ausgelöscht wurden. Sah einen gigantischen Kosmos inmitten jeder kleinen Ritze und Spalte des Raumes. Was unterschied unsere Welt von denen?
Ihre Augen waren müde. Waren alt und leer geworden. Das Universum war so groß... zu groß als das das gesamte Leben auf Eternia eine Rolle spielen würde. Genausowenig wie das Entstehen und Vergehen der kleinen Universen auf jedem Staubkorn für die Menschheit eine Rolle spielte. Und obgleich sie nun das mächtigste Wesen der gesamten Welt war, war sie im Vergleich zum Universum nichts. Wie eine Maus, die mächtiger war als die kleinen Ameisen und doch nur klein und unbedeutend. Und je mehr sie wusste, desto mehr verstand sie, dass all das keinen größeren Sinn hatte.
Das Leben, die ganze Welt war nur ein Spiel, das alle viel zu ernst nehmen. Aber was sollte sie machen? Seufzend blickte sie sich um. In ihrer kleinen dunklen Kammer voller Bücher und Magie und winzigen Universen in jedem Atemzug. Ein Hort des Wissens. Wissen um das sie wohl jeder Gelehrter der Welt beneiden würde, doch wenn sie die Wahl gehabt hätte, hätte sie all das lieber nicht gewusst. Ihr Geist war zu groß geworden. Und sie fühlte sich leer und gefühlslos. Abgestumpft von den größten Freuden, die sie empfinden konnte und leer von all den Schrecken des gesamten Kosmos. Ihre Augen wanderten von Wand zu Wand. Hier drin war ihre gesamte Welt. Unendliche Universen. Mit jedem einatmen verschwanden Milliarden von ihnen und mit jedem Ausatmen entstanden neue Welten. Doch eines fehlte ihr... Und mit einem Male wusste sie, was sie zu tun hatte.
Mit leisen Schritten ging sie umher, schlich leise über den kalten granitenen Boden und hinterließ mit jedem Schritt eine leuchtende Spur bis sich ein Kreis gebildet hat. Warm und sanft pulsierte das Licht und erfüllte den Raum mit einem Gefühl von purer Liebe. Noch einen tiefen Atemzug. Die Hände über die Brust gekreuzt griff sie tief in ihre Magie und entlud sie mit voller Kraft. Ein Herzschlag erfüllte den Raum in ihrer Brust als sie mit gesenktem Haupt dem Ende entgegestand. Dem Ende ihres bisherigen Daseins. Ein Lichtblitz und der jahrtausendealte granitene Raum den sie damals auf Anweisung der Magister erschaffen hatte zerbarst. Und mit ihm all die Welten. Nun war sie frei... Keine Lehren mehr, kein Studium. Sie hatte so vieles gesehen, nun war es an die Zeit in die Welt zurückzukehren in der sie geboren worden war. Eine übermächtige Göttin, frei auf Eternia. Welche Konsequenzen wird das wohl haben?